Gerade ausgewandert
und schon mittendrin in der Klimakrise.
Ein aktueller Gastkommentar aus dem brennenden Australien.
„Mach‘ den Umweltschutz zum Vergnügen“, sprang es mich letztens auf Facebook an. Tipps für das sanfte Hinführen der Kinder an den Klimawandel auf einem typischen ‚Mami-Blog‘. Etwas konkreter die Empfehlung in der Süddeutschen, den Umweltschutz zu einem ‚Projekt‘ zu machen. Beides hätte mich, noch in Österreich lebend, wahrscheinlich positiv inspiriert. Doch heute, das neue Jahr ist gerade mal 4 Tage alt, schnürt es mir dabei die Kehle zu. Die Diskussionen mit meinen Kindern am Frühstückstisch über das Palmöl im Nutella und unser Familienbeschluss, keine Plastikstrohalme und Luftballons mehr zu verwenden, liegen gefühlt weit zurück. Denn wir sind vor drei Monaten nach Australien ausgewandert und leben jetzt im „Sunshine State“ Queensland in Brisbane.
Und unsere großen Jungs, 9 und 12, durften vor Weihnachten drei Tage lang nicht das Schulgebäude verlassen – wegen des Rauchs der nahen Waldbrände in der Luft. Unsere kleinen, 3 und 5, sind unausgeglichen, weil sie nicht mehr barfuß durch den Garten flitzen können – es gibt kein Gras mehr, nur noch ‚Prickles‘, kleine, trockene und sehr spitze Pflanzenreste. Und dabei wohnen wir ‚nur‘ in Brisbane und nicht in New South Wales oder Victoria, wo derzeit die verheerendsten Buschbrände die schreckliche Fratze des Klimawandels zeigen. Und dabei läuft ja bei uns alles – Strom, Wasser, das Auto, der Grill.
Wir leben nun hier am ‚anderen Ende der Welt‘ und erleben Natur ganz anders als noch im grünen, wasser-reichen Kärnten, von wo aus wir in unser Familienabenteuer gestartet sind. Die Natur ist hier vor allem eines, nämlich „in your face“, wie es unser Nachbar aus Wales sehr passend beschrieb. Wir sehen unmittelbar, wie die Sonne sich in die Haut unseres 5-jährigen Rotschopfes einbrennt, ich fühle die trockene Luft, die sich in meine Luftröhre beißt, wenn ich mit dem Fahrrad in die Uni fahre, und am Heiligabend hat der Sturm mit meinem diy-Paletten-Kräutergarten jongliert. Auf einmal mitten drin statt nur dabei.
Und dann erwische ich mich dabei, dass ich trotz allem Integrationswillen, wieder auf deutschsprachige Medien zurückgreife, um eine Einschätzung der Gründe und Hintergründe dieses extremen Klimas und vor allem des sehr sichtbaren Klimanotstands zu bekommen, um die Ausmaße und vor allem die Bedeutung der verheerenden Buschfeuer an allen Ecken und Enden Australiens einschätzen zu können. Warum greife ich hier auf die Süddeutsche zurück? Warum lese ich spiegel.de oder teile den neusten Bericht von ORF.at auf Facebook? Ist es Nostalgie oder Gewohnheit? Ist es sprachliche Faulheit? Oder eine andere Art der Berichterstattung?
Australien im Ausnahmezustand
Die Fakten rund um die Buschfeuer sind inzwischen bekannt, vielfach berichtet in allen Medien, nah und fern. In Australien herrscht Ausnahmezustand. Über 150 Brandherde werden immer wieder durch starke Winde angefacht – das Ausmaß ist mit unseren Europäischen Distanz-Vorstellungen nicht zu begreifen. Die Rauchwolken ziehen über 2000 Kilometer nach Neuseeland und kreieren innerhalb Australiens ihr eigenes Wetter mit mehr Thunderstorms, die immer wieder neue Feuer entfachen. Eine durch den Klimawandel verschärfte Dürre hat die Vegetation über die Jahre hinweg so ausgetrocknet, wie noch nie. Ja und dann ist da noch der Premierminister, der am Höhepunkt der Krise zu Neujahr den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und den unberechenbaren Bränden nicht sehen will – oder bewusst nicht kommuniziert; der auf internationaler Ebene wirklichen Klimaschutz blockiert. Der den Betroffenen und evakuierten Massen empfiehlt, sich vom Cricket-Team die nötige Inspiration abzuschauen. Das alles begleitet von den Murdoch-Medien.
Medien
Ich greife also, direkt konfrontiert mit dem ‚face‘ des Klimawandels, auf unsere heimischen öffentlich-rechtlichen Medien zurück, wo wir zwar eine transparente, offene und kritische Perspektive auf die Entwicklungen in Australien finden, aber eben nur aus der Distanz beobachtet. Und da fällt journalistisch vieles leichter. Es ist leicht, aus Österreich oder Deutschland heraus politische Entscheidungen in Frage zu stellen – genauso wie noch vor einigen Monaten in Anbetracht der Amazonas-Brände. Es ist leicht, politische Antagonismen weiterzuspielen: Grün gegen Konservativ, Kohle-Lobby und ‚Klimaskeptiker‘ gegen Friday-for-Future, Extinction Rebellion und Wissenschaftler*innen. Und es fällt auch uns persönlich sehr leicht, diese ‚medienethisch‘ kritische Medienlandschaft in Australien zu vermissen.
Trotz aller Kritik, entdecke ich vor Ort, hier im ‚extremen‘ Australien, aber erstens auch positive Ausnahmen, wie den Guardian oder auch The Conversation, eine Netzwerkplattform für wissenschaftliche Fakten, Reflektionen und Einschätzungen. Und zweitens Beispiele für die Art der Klimanotstand- und Nachhaltigkeitsberichterstattung, die in meinen Augen notwendiger ist, als die kritische, objektive Berichterstattung aus einer (geo-)politischen Distanz heraus: Storytelling, konstruktiver Journalismus und aktive Online-Berichterstattung in Lokalmedien.
Auch wenn ich die – ebenfalls im eigenen Studium erlernte und immer wieder an meine Studierenden weitergegebene – selbst-postulierte Objektivität der Journalist*innen in Qualitätsmedien hoch einschätze, ist heute in Anbetracht von Klimawandel-bezogenen Phänomenen und Herausforderungen meines Erachtens mehr Subjektivität gefragt. Natürlich geht es bei der Berichterstattung über die australischen Buschfeuer um ein komplexes Thema – so wirklich kompliziert ist es aber nicht. Das zeigen das etablierte und quasi öffentlich-rechtliche TV-Network ABC oder auch lokale Zeitungen wie Sunraysia Daily (Mildura, Victoria) mit ihrem kleinteiligen, hyper-lokalen Journalismus. Lokalmedien wie dieses zeigen, wie der Notstand unseres Klimas und unserer Erde als Ganzes eher wie ein Puzzle zu verstehen und entsprechend journalistisch zu bearbeiten ist.
Lokalzeitungen und ihre Online-Portale oder themenspezifische Kanäle (z.B. ABC rural) zeigen ihr Potenzial gerade in Krisen, ganz ähnlich der Kleinen Zeitung während des Hochwassers in Kärnten 2018. Auf lokaler Ebene, an den kleinteiligen Beispielen und im Gespräch mit den Menschen vor Ort, lässt sich nämlich auch mit kritischen Reflektionen leichter beginnen, bevor man in Systemkritik verfällt. Denn hier sehe ich ein weiteres Problem oder die größte Herausforderung für alle Qualitätsmedien, in Australien aber auch ‚zu Hause‘, in Österreich oder Deutschland.
Zuviel der Objektivität, der ‚kritischen Distanz‘ kann zu einer Generalkritik oder Verantwortungs-Suche aber auch Verantwortungs-Abschiebung an die Politik führen. Denn damit sinkt die direkte Betroffenheit, damit kann auch der Leser und die Leserin wiederum viel einfacher leben. Denn es ist einfacher, die Politik, Großkonzerne oder die Massentierhaltung als System zu kritisieren, als mit einer Nachbarin umzugehen, die mit Tränen Augen auf unserer Terrasse steht und den Kindern von ihrem Bruder erzählt, der wegen der Buschfeuer in Mallacoota zwei Nächte am Strand geschlafen hat; der dachte, sein Haus sei verbrannt und nun doch erfahren hat, dass es noch steht.
Ein Kontinent der Extreme
Natürlich ist es immer noch schwer, den Kindern den Zusammenhang zwischen dem Pupsen der Kühe und dem ‚nicht normalen‘ Ausmaß der Brände zu erklären. Gerade unsere kleinen Jungs verstehen nicht immer, warum wir in den Kindergarten laufen, wo doch alle anderen mit dem Auto kommen. Doch ich bekomme langsam das Gefühl, dass unsere Kinder gerade hier, wo die Natur eben ‚in your face‘ ist, wo die Feuer nur der Beginn von dem sind, was in Australien zur Normalität wird, ein ganz neues Gefühl für Wetter, Pflanzen und auch Tiere bekommen – allein weil die Aufmerksamkeit dafür viel höher ist; und weil wir Menschen hier viel ‚reaktiver‘ sind, wir müssen uns der Natur anpassen; weil wenn es heiß ist, müssen wir drinnen bleiben. Kein Schutz hilft. Weil uns die Sonne verbrennt, trotz 50er Sonnencreme. Weil wir nicht mit Kohle grillen und auch keine Kerze auf dem Gartentisch anzünden, weil totaler ‚fireban‘ herrscht. Ganz einfache Zusammenhänge. Das begreifen auch die Kleinsten; statt Umweltschutz heißt es also für uns ein ganz neues Verhältnis mit der Natur zu entwickeln. Entsprechende Beispiele, Geschichten und auch Lösungen finden wir in den Lokalzeitungen, der Berichterstattung direkt aus unserer Nachbarschaft hier in Australien, einem Kontinent der Extreme.
Weiterführende Informationen
Wir haben Informationen gesammelt und rechecheriert…
Gegentrends & Lösungsansätze
Natürliche Ressourcen, wie Rohstoffe, Wasser, produktive Böden und funktionierende Ökosysteme bilden die physische Grundlage für alles Leben auf unserem Planeten. Mit der steigenden Ressourcennutzung verstärken sich eine große Anzahl an Umweltproblemen, allen voran der Klimawandel. Wir brauchen Gegentrends und Lösungsansätze.
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Konsum Allgemein
Zwischen Konsum und Kaufen liegt ein erheblicher Unterschied. Immer mehr Güter werden gekauft, jedoch immer seltener werden diese auch wahrhaft konsumiert (ge- oder verbraucht). Die Bedeutung des Kaufens hat viele negative Konsequenzen auf individueller und umweltbezogener Ebene genauso wie beim Verbrauch von Ressourcen.
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Textilien
Mehr als 100 Millionen Tonnen Fasern werden jährlich, mit steigender Tendenz, produziert. Zwei Drittel davon sind synthetisch und basieren auf Rohöl, ein Viertel davon ist Baumwolle, welche zum Wachsen viel Land, Wasser und Pestizide benötigt. Viele Textilien werden nie getragen und gerade in Europa ist Kleidung immer billiger und damit zur Wegwerfware geworden.
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Abfall
Je mehr wir konsumieren, umso mehr Ressourcen verbrauchen wir und umso mehr Abfall fällt an. Dass wir weltweit immer mehr Ressourcen brauchen und die daran gekoppelte Abfallmenge imme größer wird, gehört zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
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Erfolgsbeispiele
Die Lösung besteht aus vielen kleinen Änderungen unseres täglichen Lebens. Jeder Einzelne hat es in der Hand und kann viel bewirken, und viele bewirken längst – erfolgreich.
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Elektroschrott
Seit den 70er Jahren hat sich der globale Ressourcenverbrauch verdreifacht, die Menge des anfallenden Elektroschrotts sogar vervierfacht. Rohstoffe gehen verloren, da nur ein kleiner Teil davon recycelt wird. Der Elektrogeräteabfall ist laut EAK der am schnellsten wachsende Abfallbereich.
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Konsum Einwegverpackungen
Einwegverpackungen sind ein wesentlicher Bestandteil unseres Abfalls, unser Hausmüll steigt von Jahr zu Jahr. Mehrwegsysteme wurden durch Einwegverpackungen ersetzt. In Österreich landen jährlich 300 Millionen Coffee-to-go Becher im Müll.
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Greenwashing
Greenwashing oder Grünfärberei wird schon lange diskutiert und damit werden Kommunikations- und CSR-Maßnahmen oft größerer Unternehmen bezeichnet, die aufgrund umweltschädlicher Produktionsweisen (Palmöl, Kinderarbeit, Wasserverschmutzung u.s.w.) in Verruf geraten waren. Mittels „Greenwashing“ würden sie dieses schlechte Image zurechtrücken wollen, so Kritiker wie etwa Werner Boote.
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Tipps & Infos zu Konsum
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