Der 49jährige Kabarettist und ORF „Staatskünstler“ bekommt am 3. November 2016 zum 3. Mal den österreichischen Kabarettpreis verliehen. Der vielbeschäftige Künstler tourt im Augenblick mit seinem aktuellen Programm „Der Tolerator“ durch Österreich und Deutschland. Privat entspannt sich der Vater dreier Kinder am liebsten beim Kochen. MUTTER ERDE hat mit ihm über Lebensmittel und deren Verschwendung gesprochen.
MUTTER ERDE: Herr Maurer, über Sie weiß man, dass Sie ein ausgesprochener Gourmet und begeisterter Koch sind. Inwiefern hat das Thema Lebensmittelverschwendung bei Ihnen eine Rolle? Achten Sie darauf?
THOMAS MAURER: „Ich bin an und für sich nicht sonderlich geizig, aber bei Lebensmitteln neige ich zur Verbissenheit. Also, natürlich passiert es auch mir immer wieder, dass mir was im Kühlschrank hin wird, ich bin beruflich viel unterwegs, unregelmässig daheim und obendrein eine schlamperte Sau. Aber ich ärgere mich da dann jedesmal, viel mehr, wie wenn ich, weiß ich, ein neugekauftes Buch irgendwo liegengelassen habe. Essen nehm’ ich persönlich.“
MUTTER ERDE: Der sorgsame Umgang mit Lebensmitteln, wurde Ihnen das in Ihrer Kindheit mitgegeben?
THOMAS MAURER: „Vielleicht. Womöglich ist er eine Spätfolge der in den 70er Jahren absolut gängigen Ermahnung, die Kinder in Afrika wären froh um den mehligen Apfel oder das labbrige Margarinebrot mit dem man gerade traktiert wurde.“
„Essen nehm’ ich persönlich.“
MUTTER ERDE: Was halten Sie von dem so genannten Waste Cooking, das im Augenblick in aller Munde ist, also der Verarbeitung von aussortierten oder tatsächlich schon weggeworfenen Lebensmitteln bzw. Essensresten?“
THOMAS MAURER: „Sehr viel. Ich bin ein Essensritter – ich kämpfe um die Wiederverwertung von Speisen bis in eine zweite oder sogar dritte Mahlzeit. Das macht Spass und birgt oft unglaubliche Überraschungen durch die Kombinationen der unterschiedlichen Zutaten. Vom Weltverbesserungsmässigen einmal abgesehen, finde ich es daher außerordentlich befriedigend, aus Resteln etwas wirklich Gutes zu kochen oder ein Hendl rückstandsfrei aufzuarbeiten. Da ärgere ich mich eher, dass man in den meisten Fällen schon darum kämpfen muss, beim Kauf Herz, Leber, Hals und Magen dazuzubekommen. Von den Haxen einmal zu schweigen.“
MUTTER ERDE: „Die Hendlhaxen am ganzen Tier? Sind die wieder im Kommen?“
THOMAS MAURER: „In meiner Kindheit waren an den Suppenhendeln noch Klauen, die waren nicht nur ein hervorragendes Lernspielzeug, sondern sind natürlich auch in die Suppe marschiert. Ich kann mich allerdings an eine Dame erinnern, die angesichts der aus dem Suppentopf ragenden gelben Klauen wortlos und mit schwerem Gesichtsmuskelkater die Küche und im weiteren beinahe die Wohnung verlassen hätte.“ (lacht)
„Ich bin ein Essensritter – ich kämpfe um die Wiederverwertung von Speisen bis in eine zweite oder sogar dritte Mahlzeit.“
MUTTER ERDE: „Wieviel Anstrengung bedeutet es für Sie im Alltag, sich bewusst mit dem sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln zu beschäftigen?“
THOMAS MAURER: „Kochen zu können hilft, glaube ich, von Haus aus beim Vermeiden von Vergeudung. Wenn meine Fertigkeiten sich darin erschöpfen, etwas zum Kurzbraten eben nur kurzzubraten und dazu ein Tiefkühlgemüse warm zu machen, dann werde ich eher nicht regional, saisonal, ökobilanziert und was weiß denn ich noch kochen. Ich glaube also, dass sehr viel Vergeudung auch daher kommt, dass immer mehr Menschen immer weniger kochen können. Für viele ist heute schon ein Hendlhaxen zu realistisch, da nehmen sie lieber die Brust, und das auch bevorzugt dann, wenn nicht das immerhin noch auf anatomische Sachverhalte verweisende Wort „Brust“ draufsteht, sondern das wertfrei kulinarische „Filet“.“
MUTTER ERDE: „Gehört dazu für Sie auch die Beschäftigung mit der Herkunft und Haltung der Tiere, deren Fleisch man später zubereitet?“
THOMAS MAURER: „Allerdings. Es ist mir wichtig, woher das Tier kommt, unter welchen Umständen es gelebt hat und unter welchen Umständen es für uns zu Tode gekommen ist. Die Leute fressen immer mehr Fleisch und wollen gleichzeitig immer weniger daran erinnert werden, dass das aus Tieren gemacht wird. Geflügel kaufe ich so gut wie immer im Ganzen, schon einmal weil, wenn man’s selber zerteilt, immer genug Material für ein Supperl oder einen Fond anfällt.“
Für viele ist heute schon ein Hendlhaxen zu realistisch, da nehmen sie lieber die Brust, und das auch bevorzugt dann, wenn nicht das …..Wort „Brust“ draufsteht, sondern das wertfrei kulinarische „Filet“.“
MUTTER ERDE: „Und inwiefern arbeiten Sie nachhaltig mit Gemüse in Ihrer Küche?“
THOMAS MAURER: „Genauso. Das gilt so ähnlich natürlich nicht nur für Fleisch, sondern auch für Schalen, Kerne und Abschnitzel, die beim Gemüseputzen anfallen. Ich muss da teilweise umgekehrt aufpassen, dass ich die Teile, die weg müssen, auch wirklich weghau. Ich finde z.B. Artischocken so ausserordentlich schön und diese grünen oder lila Blätter so ansprechende, dass es mir schon zwei, drei Mal passiert ist, dass ich zu viel dranlasse. Und natürlich ist ein Gericht, dass wegen völliger Danebengegangenheit weggeschmissen wird, genauso vergeudet wie eins, dass ich verrotten lasse oder gar nicht erst zubereite.
MUTTER ERDE: „Bei allem Respekt für Ihren sorgsamen Umgang mit Ihren Lebensmitteln, aber wo ist der Punkt, an dem sogar der Herr Maurer auch einmal etwas wegschmeisst?“
THOMAS MAURER: „Natürlich kommt man als privat kochende Person da auch schnell einmal an die Grenzen des Sinnvollen. In professionellen Gastro-Küchen, zumindest in denen, wo wirklich gekocht und nicht nur Convenience-Produkte aus der Folie geschnitten werden, köcheln ständig ein paar Fond- und Suppentöpfe. Da geht’s auch um andere Mengen. Im„Floh“, eines meiner Lieblingsgasthäuser in Langenlebarn schmort man zum Beispiel immer die Strünke vom Weisskraut, die man normalerweise weghaut. Das schmeckt wirklich super und ist sinnvoll, aber wenn ich daheim etwas mit Kraut koche, dann bleibt mir ein einziger Strunk über, und wegen einem Strunk fang ich nicht an zu schmoren. Ich bin ja nicht deppert. In dem Fall ist „Biomüll“ schon die ökologische Maximallösung.“
MUTTER ERDE: „Vielen Dank für das Gespräch und noch viel Spass in ihrer Küche!“
THOMAS MAURER: „Danke auch. Mahlzeit.“
Das Interview führte Heidi List.
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