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Eine erneuerbare Welt ist eine, die besser ist als die heutige – Interview mit Ulrich Streibl

Dez 18, 2020

Fotocredit: Thomas Kirschner

Ulrich Streibl ist seit 9. September 2020 Vorstand der oekostrom AG. Er ist ein international erfahrener Manager mit umfassender Energiemarktkenntnis, breiter Finanz- und Strategie-Kompetenz und darüber hinaus einer hohen Affinität zu Klima- und Umweltschutz. Ulrich Streibl lebt mit seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern in Wien. Wir haben ihn gefragt, was Nachhaltigkeit für das Unternehmen oekostrom AG und ihn ganz persönlich bedeutet:

 

Lieber Herr Streibl, was bedeutet Nachhaltigkeit für das Unternehmen oekostrom AG?

Um eine Welt, in der wir Menschen gut und gesund leben können, zu erhalten, müssen wir unsere gesamte Energie erneuerbar produzieren. Wir können mit den alten, fossilen Technologien nicht weitermachen. Das sehe ich als Auftrag an die oekostrom AG. Wir wollen die erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne ausbauen, wir wollen den Menschen ehrlichen, in Österreich produzierten, erneuerbaren Strom und emissionsarme Wärme liefern. Aber wir waren immer mehr als ein Unternehmen, das nur Energie produziert und Energie verkauft. Die oekostrom AG kommt historisch aus der Klima- und Umweltbewegung und war immer Teil einer Community mit Gestaltungswillen. Wir haben uns von Beginn an – also seit 1999 – engagiert: in der Anti-Atom-Bewegung, in der Anti-Kohle-Bewegung. Bei uns arbeiten Menschen, denen Klima, Umwelt, Nachhaltigkeit und Zukunft ein wirkliches Anliegen sind. Das macht uns besonders.

 

Was tut die oekostrom AG aktiv für den Klimaschutz?

„Nur gemeinsam können wir es schaffen.“ Genau darum gibt es die oekostrom AG. Mit erneuerbaren Energien geben wir den Menschen die Möglichkeit, ganz praktisch und greifbar das Klima zu schützen. Wir sind nicht die Größten und auch nicht die Mächtigsten, aber wir sind ein sehr lästiger Stachel im Fleisch derjenigen, die mit ihrer Ignoranz unser Klima und unsere Umwelt schädigen. Wir sind unabhängig von Großeigentümern und Konzernen. Wir sind bei Klima- und Umweltthemen laut, mutig und schnell und können das tun, was wir für richtig halten. Dieses gemeinsame Einstehen für die Bewältigung der Klimakrise ist für mich von höchster Bedeutung.

 

Was sind die Herausforderungen dabei?

Wir befinden uns in einer Situation, in der wir wirklich von Krise sprechen müssen – der Klimakrise! Ich glaube, ein Unternehmen wie die oekostrom AG darf nicht nur Kilowattstunden gegen Geld verkaufen. Es muss sich auch Gedanken machen: Wie können wir diese Klimakrise lösen? Was können wir konkret beitragen? Und das hat die oekostrom AG immer getan in den mittlerweile knapp 22 Jahren der Firmengeschichte und wird es auch weiterhin tun. Mit unserem neuen Podcast-Format Freitag in der Arena geben wir gemeinsam mit spannenden Gästen aus Wirtschaft und Gesellschaft Anregungen, konkrete Ideen und Lösungsansätze rund um Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

 

Wo sehen Sie Verbesserungspotential?

Wir haben Pläne der Europäischen Union, wir haben Vorgaben der Bundesregierung, die darauf hinauslaufen, dass wir in Österreich sogar schon im Jahr 2040 klimaneutral sein müssen. Das ist schon in 20 Jahren. Das heißt: wir müssen massiv umbauen – und zwar heute. Wir können in nur ganz wenigen Jahren keine Autos mehr mit Benzin und Diesel betreiben. Es hat keinen Sinn, sich heute noch ein Auto von gestern zu kaufen, weil es morgen nichts mehr wert ist. Wir können sehr bald auch keine Heizungen mit Öl oder Gas mehr betreiben. Wir müssen das alles erneuerbar machen. Daran arbeite ich, daran arbeitet das Team der oekostrom AG.

 

Wie sieht ihr persönlicher Beitrag für ein nachhaltigeres Leben aus?

Nachdem wir gemeinsam mit unseren drei Kindern einmal den CO2-Fußabdruck für unsere Familie gerechnet haben, haben wir eine Liste gemacht, wie wir von unserem hohen CO2-Level herunterkommen: 100 % erneuerbarer Strom, 100 % Biogas, mehr Nutzung des öffentlichen Verkehrs, mehr Fahrrad, viel weniger Autokilometer, und die fast komplett im Elektroauto mit grünem Strom. Dazu kaufen wir zu Fuß am Markt bei uns in der Nähe ein. Dort sind Familienbetriebe, die regionale Produkte anbieten. Einfach das genießen, was wir haben – wir sind so privilegiert. Zudem schauen wir darauf, keine unnötigen Verpackungen zu verbrauchen. So nutzen wir wiederverwendbare Flaschen zum Sport oder mehrfach nutzbare Behälter beim Einkauf. Wir bitten im Geschäft darum, Waren nicht doppelt und dreifach einzupacken. Das sind Dinge, die eigentlich ganz einfach sind und die wir leicht in unser Leben integrieren können. Und so haben wir den CO2-Fußabdruck unserer Familie um mehr als 30 % reduziert, ohne dass wir auf etwas verzichten müssen.

 

Wo fällt Ihnen die Umstellung im privaten Bereich schwer?

Das ist vor allem beim Reisen in fernere Länder. Es ist so wichtig, die Welt und andere Kulturen kennenzulernen, vor allem für unsere Kinder. Heute gibt es nur Flugzeuge, die CO2 ausstoßen. Ich hoffe, dass unsere Ingenieure rasch emissionsfreie Flugzeuge erfinden.

Ach ja, und das Skifahren, das will ich halt nicht lassen, auch wenn es ökologisch nicht optimal ist.

 

Wie bekommt man die Menschen dazu, die Klimakrise ernst zu nehmen und Klimapolitik in ihren Alltag zu implementieren?
Wir sind heute auf einem Weg – trotz aller Abkommen – da würde es 3 bis 5 Grad wärmer werden. In Österreich haben wir bereits 2 Grad plus erreicht: Teile unserer Wälder sterben bereits. Moore gehen kaputt. Es wird heiß. Die Flüsse erwärmen sich oder trocknen aus. Fische sterben. Wir haben Unwetterereignisse mit Milliardenschäden. Ich wünsche mir, dass wir die Kombination dessen, was wir faktisch sehen und erleben und das Wissen, das wir haben, sehr ernst nehmen. Also daran arbeiten, etwas zu ändern. Ansonsten sind die Effekte für uns alle wirtschaftlich, gesellschaftlich und sozial einfach unvorstellbar schlimm.

 

Blicken Sie optimistisch in die Zukunft?

Eine erneuerbare Welt ist ja eine, die besser ist als die heutige. Wir werden saubere Luft in den Städten haben. Wir werden weniger Autos haben, sie teilen, am Abend selbstfahrend in Garagen schicken und den gewonnenen Raum in Grünflächen, Spielzonen und Straßencafés verwandeln. Unsere wundervolle Natur mit ihren Tier- und Pflanzenarten wird sich erholen und uns Freude bereiten. Ich verstehe nicht, warum es so viele gibt, die da bremsen, verzögern und blockieren.

Aus meiner Sicht darf die Politik kraftvoller zugreifen. Wir brauchen unbedingt eine CO2-Steuer und eine Entlastung der Löhne. Dann haben wir weniger Schmutz in der Luft und eine Menge cooler, neuer Jobs mit Zukunftspotential. Und die Wirtschaft wird kraftvoll nach vorne agieren und Innovationen bringen. Die alten fossilen Modelle sterben sowieso, und das ist gut so. Dafür entsteht etwas Neues, Besseres. Und wir alle als Gesellschaft sollten uns besinnen auf das, was wirklich zählt – eine Umwelt, in der wir Menschen freudvoll und gesund leben können. Und ich glaube, dass wir das genauso tun werden, weil es einfach logisch ist. Deshalb blicke ich tatsächlich optimistisch in die Zukunft.